Allerheiligen – Das christliche Hochfest zu Ehren aller Heiligen
Allerheiligen ist eines der bedeutendsten christlichen Hochfeste der katholischen Kirche und wird jährlich am 1. November gefeiert. An diesem Tag gedenken Gläubige weltweit aller Heiligen – sowohl der offiziell von der Kirche heiliggesprochenen Personen als auch jener unbekannten und stillen Vorbilder des Glaubens, die durch ihr christliches Leben und ihre Hingabe zur Vollendung in Gott gelangt sind. Das Fest verbindet Erinnerung, Hoffnung und die tief verwurzelte Überzeugung, dass der Tod nicht das Ende, sondern der Übergang zur wahren Fülle des Lebens darstellt.
Wortherkunft und sprachliche Bedeutung
Die Bezeichnung „Allerheiligen“ leitet sich vom lateinischen „Sollemnitas Omnium Sanctorum“ oder „Festum omnium sanctorum“ ab, was wörtlich übersetzt „Hochfest aller Heiligen“ bedeutet. Der Begriff verdeutlicht bereits den umfassenden Charakter dieses Gedenktages: Es handelt sich nicht um die Verehrung einzelner Heiliger, sondern um ein Fest, das allen Menschen gilt, die ein heiligmäßiges Leben geführt haben und als „verherrlichte Glieder der Kirche“ angesehen werden. Der Name unterstreicht somit die Gesamtheit der Gemeinschaft der Heiligen, die bereits bei Gott zur Vollendung gelangt sind.
Historische Ursprünge und Entwicklung des Festes
Die Wurzeln von Allerheiligen reichen bis in die Anfänge des Christentums zurück und sind eng mit der Märtyrerverehrung verbunden. Bereits im 4. Jahrhundert finden sich in der Ostkirche erste Belege für Allerheiligenfeste, die als „Herrentag aller Heiligen“ am ersten Sonntag nach Pfingsten gefeiert wurden. Diese frühen Gedenkfeste entstanden aus der praktischen Notwendigkeit heraus: Mit der steigenden Zahl von Märtyrern während der Christenverfolgungen wurde es zunehmend unmöglich, jedem einzelnen Heiligen einen eigenen Gedenktag im Kirchenjahr zu widmen.
In der westlichen Kirche markierte Papst Bonifatius IV. einen wichtigen Meilenstein, als er am 13. Mai 609 oder 610 das Pantheon in Rom – einen zuvor allen römischen Göttern geweihten Tempel – der Jungfrau Maria und allen Märtyrern weihte und eine jährliche Feier anordnete. Ursprünglich wurde das Fest zunächst am Freitag nach Ostern begangen, da es inhaltlich stark vom österlichen Erlösungsgedanken geprägt war.
Über hundert Jahre später weihte Papst Gregor III. (731-741) eine Kapelle in der Basilika St. Peter allen Heiligen und legte dabei für die Stadt Rom den Feiertag auf den 1. November fest. Ende des 8. Jahrhunderts begann dieser Termin sich zunächst in Irland zu etablieren, wo der 1. November auch den Beginn des keltischen Jahres und den Winteranfang markierte. Über die iroschottischen Missionare und durch die Förderung Kaiser Ludwigs des Frommen im Frankenreich verbreitete sich dieser Brauch allmählich in der gesamten westlichen Christenheit.
Die endgültige Festlegung von Allerheiligen auf den 1. November für die gesamte Westkirche erfolgte schließlich im Jahr 835 durch Papst Gregor IV.. Mit dieser Verlegung wurde der ursprüngliche enge Bezug zur Osterzeit aufgegeben. Stattdessen wurde „die sterbende Natur, durch die die ewige Welt der Heiligen sichtbar wird“, zur neuen Hintergrundfolie des Festes.
Theologische Bedeutung und religiöser Gehalt
Allerheiligen trägt eine tiefe theologische Bedeutung, die weit über ein einfaches Totengedenken hinausgeht. Im Mittelpunkt steht die christliche Überzeugung, dass alle Gläubigen zur Heiligkeit berufen sind und dass der Tod nicht das Ende, sondern der Übergang in die vollkommene Gemeinschaft mit Gott darstellt.
Die Präfation des Allerheiligenfestes beschreibt eindrücklich das Festgeheimnis: „Denn heute schauen wir deine heilige Stadt, unsere Heimat, das himmlische Jerusalem. Dort loben dich auf ewig die verherrlichten Glieder der Kirche, unsere Brüder und Schwestern, die schon zur Vollendung gelangt sind. Dorthin pilgern auch wir im Glauben, ermutigt durch ihre Fürsprache und ihr Beispiel und gehen freudig dem Ziel der Verheißung entgegen“. Diese Worte verdeutlichen, dass das Fest nicht nur den offiziell Heiliggesprochenen gilt, sondern allen Christinnen und Christen, die sich Gott so geöffnet haben, dass er bereits im Leben ihr Heil geworden ist.
In der liturgischen Feier wird Allerheiligen als österliches Fest begangen, was sich in der festlichen weißen Gewandung der Priester und den frohen Lesungen widerspiegelt. Die weiße liturgische Farbe symbolisiert dabei die Heiligkeit, Reinheit und das Licht der Auferstehung. Als Evangelium werden in allen Lesejahren die berühmten Seligpreisungen aus der Bergpredigt gelesen, die das christliche Ideal eines heiligen Lebens beschreiben.
Der Festcharakter unterscheidet sich damit bewusst vom nachfolgenden Allerseelentag am 2. November, an dem mit violetter liturgischer Farbe aller Verstorbenen und besonders der „Armen Seelen im Fegefeuer“ gedacht wird. Während Allerheiligen die Freude über die bereits bei Gott Vollendeten feiert, steht an Allerseelen die Fürbitte für jene im Vordergrund, die nach katholischem Glauben noch eine Reinigung durchlaufen, bevor sie die volle Gemeinschaft mit Gott erreichen.
Allerheiligen als gesetzlicher Feiertag in Deutschland
In Deutschland ist Allerheiligen nicht bundesweit, sondern nur in bestimmten, überwiegend katholisch geprägten Bundesländern ein gesetzlicher Feiertag. Die Feiertagsregelung gilt in folgenden fünf Bundesländern:
- Baden-Württemberg
- Bayern
- Nordrhein-Westfalen
- Rheinland-Pfalz
- Saarland
In diesen Regionen haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am 1. November frei, Geschäfte bleiben geschlossen, und öffentliche Einrichtungen ruhen – mit Ausnahmen für Bäckereien, Konditoreien, Blumenläden, Museen und Zoos. In den übrigen Bundesländern ist Allerheiligen ein normaler Arbeitstag, wobei viele dieser Regionen stattdessen am Vortag, dem 31. Oktober, den Reformationstag als Feiertag begehen.
Allerheiligen als stiller Feiertag
Eine Besonderheit von Allerheiligen besteht darin, dass es sich um einen sogenannten „stillen Feiertag“ handelt. Diese Einstufung bringt besondere Einschränkungen mit sich, die dem ernsten und besinnlichen Charakter des Totengedenkens Rechnung tragen sollen.
An stillen Feiertagen gelten in den betreffenden Bundesländern strenge Regelungen:
Tanzverbot: In Diskotheken, Clubs und bei öffentlichen Tanzveranstaltungen darf nicht getanzt werden. In Bayern gilt dieses Verbot ganztägig, in Nordrhein-Westfalen von 5 bis 18 Uhr.
Verbot lauter Musik und öffentlicher Unterhaltungsveranstaltungen: Volksfeste, laute Feiern und bestimmte Sportveranstaltungen sind untersagt oder stark eingeschränkt.
Schutz der Feiertagsruhe: Öffentlich bemerkbare Arbeiten, die die Feiertagsruhe beeinträchtigen könnten, sind verboten.
Eingeschränkte Filmvorführungen: In Bayern dürfen bestimmte Filme nicht öffentlich gezeigt werden.
Rücksichtnahme in Medien: Theater-, Film- und Musikaufführungen sowie Sendungen in Fernsehen und Radio sollen auf den ernsten Charakter des Feiertages Rücksicht nehmen.
Erlaubt bleiben hingegen der Besuch von Restaurants und Cafés, Museen, Zoos, Kunstausstellungen sowie sportliche Aktivitäten wie Joggen oder der Besuch von Fitnessstudios. Verstöße gegen die Regelungen für stille Feiertage können mit Bußgeldern von bis zu 1.000 Euro geahndet werden.
Traditionelle Bräuche und Feiertagsrituale
Allerheiligen ist von zahlreichen traditionellen Bräuchen geprägt, die regional unterschiedlich ausgeprägt sind, aber alle das Gedenken an die Verstorbenen und die Verbundenheit mit den Heiligen zum Ausdruck bringen.
Friedhofsbesuche und Gräberschmuck
Der wohl bekannteste Brauch ist der Besuch der Friedhöfe und die festliche Gestaltung der Gräber. Viele Familien nutzen besonders den Nachmittag von Allerheiligen, um gemeinsam die Ruhestätten ihrer Angehörigen aufzusuchen. Die Gräber werden liebevoll mit herbstlichen Gestecken, Kränzen, Tannengrün und frischen Blumen geschmückt.
Die Tradition der Grablichter
Ein zentrales Element des Brauchtums sind die Grablichter, auch „Ewige Lichter“ oder „Seelenlichter“ genannt. Diese werden am Allerheiligentag entzündet und brennen traditionell bis Allerseelen weiter. Das Licht auf den Gräbern trägt mehrere Bedeutungsebenen:
Es symbolisiert die Seele des Verstorbenen und das ewige Leben
Es soll den Seelen den Weg durch das Totenreich zur ewigen Ruhe leuchten
Es erinnert an die Auferstehung und das biblische Wort „Ich bin das Licht der Welt“
Es ist ein Zeichen der Hoffnung, des Trostes und der Verbundenheit mit den Verstorbenen
An Allerheiligen verwandeln sich die Friedhöfe durch unzählige brennende Kerzen in eindrucksvolle Lichtermeere, die besonders in der Dämmerung und Dunkelheit weithin sichtbar sind. Die Grablichter werden häufig in Bronzelaternen oder wetterfesten Grablichtern mit Deckel platziert, um die Flamme vor Wind und Regen zu schützen.
Gräbersegnungen und Gottesdienste
In katholisch geprägten Regionen finden an Allerheiligen besondere Gottesdienste statt, bei denen der Heiligen gedacht und die Auferstehungshoffnung gefeiert wird. Vielerorts werden am Nachmittag Gräberumgänge und feierliche Gräbersegnungen durch Priester oder Diakone durchgeführt. Zu diesen Anlässen versammeln sich oft Familienmitglieder aus nah und fern, um gemeinsam der Verstorbenen zu gedenken.
Allerheiligengebäck und kulinarische Traditionen
Im süddeutschen Raum, in Österreich und in Teilen Bayerns hat sich eine besondere Backtradition erhalten: der Allerheiligenstriezel. Dieses geflochtene Hefegebäck wird aus Germteig (Hefeteig) hergestellt und mit Hagelzucker, Rosinen oder Mohn bestreut.
Der Allerheiligenstriezel trägt regional verschiedene Namen wie Heiligenstriezel, Strietzel, Allerseelenzopf, Seelenspitz, Seelenbrot oder Seelenwecken. Traditionell verschenken Tauf- oder Firmpaten dieses Gebäck an ihre Patenkinder. Die drei geflochtenen Stränge des Zopfes symbolisieren dabei die Dreifaltigkeit, während das Verschlungensein für die Ewigkeit steht.
Der Brauch hat seine Wurzeln in antiken Trauerkulten, als man sich die geflochtenen Haare abschnitt, um seine Trauer auszudrücken. Im 19. Jahrhundert war es auch üblich, Arme und Bedürftige zu Allerheiligen mit Brot, Striezeln, Wecken oder Krapfen zu beschenken – ein Zeichen christlicher Nächstenliebe.
In der Region um das Altmühltal gibt es zudem auf traditionellen Spitzlmärkten sogenannte „Spitzl“ oder „Spitzel“ – ein rautenförmiges Lebkuchengebäck, das speziell zu Allerheiligen gebacken wird.
Aberglaube und volkstümliche Vorstellungen
Besonders in früheren Jahrhunderten war Allerheiligen von zahlreichen abergläubischen Vorstellungen umgeben. Die Nacht von Allerheiligen auf Allerseelen galt als „Freinacht“ für die Armen Seelen, in der die Seelen der Verstorbenen aus dem Fegefeuer entweichen und an den Ort ihres irdischen Wirkens zurückkehren durften. Der Volksglaube besagte, dass in dieser Nacht Spuk, Zauber und allerlei Geister ihr Unwesen trieben.
Um den zurückgekehrten Seelen nicht zu schaden, wurden zahlreiche Vorsichtsmaßnahmen getroffen: Türen durften nicht fest zugeschlagen werden, Messer und Rechen mussten in bestimmten Positionen liegen, und Tiere wie Frösche, Kröten und Vögel durften nicht getötet werden, da sich darin Arme Seelen verbergen könnten. Diese volkstümlichen Traditionen sind heute weitgehend verschwunden, zeugen aber von der tiefen Verwurzelung des Totengedenkens in der ländlichen Kultur.
Der Zusammenhang zwischen Allerheiligen, Allerseelen und Halloween
Allerheiligen steht in engem Zusammenhang mit zwei weiteren Gedenktagen, die häufig miteinander verwechselt oder vermischt werden: Allerseelen am 2. November und Halloween am 31. Oktober.
Allerseelen – der eigentliche Totengedenktag
Während Allerheiligen den bereits zur Vollendung gelangten Heiligen gilt, ist Allerseelen am 2. November der eigentliche katholische Gedenktag für alle Verstorbenen. An diesem Tag beten die Gläubigen besonders für die „Armen Seelen im Fegefeuer“ – jene Verstorbenen, die nach katholischer Lehre noch eine Reinigung durchlaufen, bevor sie in die volle Gemeinschaft mit Gott eintreten können.
Die liturgische Farbe von Allerseelen ist Violett als Zeichen der Buße und Läuterung. Die Einführung des Allerseelentages geht auf Abt Odilo von Cluny im Jahr 998 zurück. Dem Allerseelenablass kommt dabei besondere Bedeutung zu, da Gläubige durch Gebet, Friedhofsbesuche, Almosen und Fürbitten den Verstorbenen Ablässe zuwenden können.
Obwohl Allerseelen theologisch der eigentliche Totengedenktag ist, hat sich in der Praxis vielerorts die Tradition etabliert, bereits am Nachmittag von Allerheiligen die Gräbersegnungen vorzunehmen und der Toten zu gedenken – nicht zuletzt, weil Allerheiligen in katholischen Bundesländern ein arbeitsfreier Feiertag ist und die Menschen mehr Zeit für Friedhofsbesuche haben.
Halloween – der Vorabend von Allerheiligen
Das Wort Halloween ist eine Kontraktion von „All Hallows‘ Eve“, was „Aller Heiligen Abend“ oder „Vorabend von Allerheiligen“ bedeutet. Der Name verweist damit direkt auf den folgenden Feiertag Allerheiligen am 1. November.
Die Ursprünge von Halloween sind komplex und teilweise umstritten. Traditionell wird Halloween mit dem keltischen Fest Samhain in Verbindung gebracht, das am 31. Oktober den letzten Tag des keltischen Jahres und den Winteranfang markierte. Nach keltischem Glauben kehrten in dieser Nacht die Verstorbenen in ihre Häuser zurück, und heimatlose Seelen trieben ihr Unwesen. Mit großen Feuern versuchte man sich vor diesen Geistern zu schützen.
Historisch belegt ist, dass Halloween zunächst in katholischen Gebieten der britischen Inseln, besonders in Irland, als christlicher Brauch am Vorabend von Allerheiligen gefeiert wurde. Irische Auswanderer brachten den Brauch im 19. Jahrhundert nach Nordamerika, wo er sich stark kommerzialisierte und zu einem wichtigen Volksfest entwickelte. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Halloween in veränderter Form nach Europa zurück.
Die Verbindung zwischen Halloween und Allerheiligen ist somit historisch gegeben, auch wenn sich Halloween heute zu einem weitgehend säkularen Fest mit Kostümen, Kürbissen und „Süßes oder Saures“-Tradition entwickelt hat. Die theologische Lehre sieht Halloween hingegen kritisch, da es den ernsten Charakter des christlichen Totengedenkens überlagert.
Allerheiligen in der Gegenwart
Heute bleibt Allerheiligen ein bedeutsames Fest im katholischen Kirchenjahr, das besonders in den traditionell katholischen Regionen Deutschlands mit großer Ernsthaftigkeit und Würde begangen wird. Der 1. November markiert den Beginn des „Trauermonats November“, der neben Allerheiligen und Allerseelen auch den Volkstrauertag und den Totensonntag (Ewigkeitssonntag) umfasst.
Die evangelische Kirche feiert ebenfalls am 1. November einen „Gedenktag der Heiligen“, wobei dieser nicht denselben liturgischen Rang wie in der katholischen Tradition besitzt. Der Reformationstag am 31. Oktober hat in evangelisch geprägten Bundesländern eine vergleichbare Bedeutung als gesetzlicher Feiertag.
Allerheiligen bietet in unserer schnelllebigen Zeit einen wichtigen Moment des Innehaltens, der Besinnung und des bewussten Gedenkens an die Verstorbenen. Es ist ein Tag der Familie, der Gemeinschaft und der Hoffnung – ein Fest, das inmitten der herbstlichen Vergänglichkeit auf die Verheißung der Auferstehung und des ewigen Lebens verweist.
Die Tradition des Friedhofsbesuchs, das Entzünden der Grablichter und die würdevolle Gestaltung der Gräber zeigen, wie tief das Bedürfnis nach Erinnerung und Verbundenheit mit den Verstorbenen auch in der modernen Gesellschaft verankert ist. Allerheiligen erinnert daran, dass der Tod nicht das Ende bedeutet, sondern – im christlichen Glauben – der Übergang in die vollendete Gemeinschaft mit Gott und allen Heiligen, die uns vorangegangen sind.
