Buß- und Bettag: Definition, Bedeutung und Geschichte
Der Buß- und Bettag ist ein wichtiger evangelischer Feiertag in Deutschland, der Millionen von Gläubigen jedes Jahr zur Besinnung, Reflexion und zum Gebet zusammenbringt. Dieser Tag mit einer langen und bedeutsamen Geschichte wird traditionell dazu genutzt, das eigene Leben zu überdenken, innezuhalten und sich spirituell zu erneuern. In diesem umfassenden Artikel erfahren Sie alles Wissenswerte über diesen besonderen Feiertag – von seiner Definition und historischen Wurzeln bis hin zu seiner modernen Bedeutung.
Definition: Was ist der Buß- und Bettag?
Der Buß- und Bettag lässt sich am einfachsten als ein Gedenk- und Gebetstag der evangelischen Kirche definieren, der zum Nachdenken, zur inneren Umkehr und zum gemeinsamen Gebet auffordert. Anders als der Name vermuten lässt, geht es dabei nicht um Bestrafung oder das Büßen für begangene Sünden im klassischen Sinne, sondern vielmehr um Besinnung, Erneuerung des Glaubens und die innere Bereitschaft zur Veränderung.
Das Wort „Buße“ stammt vom althochdeutschen „Buße“ ab und bedeutet in diesem Kontext Umkehr und Sinnesänderung. Es geht darum, inne zu halten, die eigenen Handlungen und Entscheidungen zu überdenken und sich bewusst zu machen, wo Veränderung notwendig ist. Der Zusatz „und Bettag“ unterstreicht die Bedeutung des Gebets und der Fürbitte an diesem Tag.
Für evangelische Christen bietet der Buß- und Bettag somit eine jährliche Gelegenheit zur persönlichen Reflexion, zur Versöhnung mit Gott und untereinander sowie zur Erneuerung des Glaubens und der Hoffnung. Die gemeinsame Beichte – meist in Form einer Gemeinschaftsbeichte – nimmt an diesem Tag einen besonders großen Raum ein, wobei der Fokus weniger auf individueller Schuld liegt, sondern vielmehr auf der Kollektivverantwortung der Gemeinschaft.
Wann ist der Buß- und Bettag? Das Datum erklärt
Der Buß- und Bettag wird immer am Mittwoch vor dem Ewigkeitssonntag begangen. Der Ewigkeitssonntag ist der letzte Sonntag des evangelischen Kirchenjahres, der auch als Totensonntag bekannt ist. Dies bedeutet, dass der Buß- und Bettag immer elf Tage vor dem ersten Advent stattfindet.
Da das genaue Datum des Advents variabel ist, fällt der Buß- und Bettag jedes Jahr auf ein anderes Kalenderdatum. Allerdings gibt es eine Konstante: Der Buß- und Bettag fällt stets zwischen dem 16. und dem 22. November. Damit ist dieser Feiertag, ähnlich wie Ostern, Himmelfahrt oder Pfingsten, ein beweglicher Feiertag, dessen genaues Datum jedes Jahr neu berechnet wird.
Im Jahr 2025 findet der Buß- und Bettag am 19. November statt. Die folgenden Jahre sind ebenfalls wie folgt:
2026: 18. November
2027: 17. November
2028: 22. November
2029: 21. November
2030: 20. November
Eine Besonderheit des Buß- und Bettags ist, dass er immer auf denselben Wochentag fällt – jedes Jahr ein Mittwoch. Dies unterscheidet ihn von anderen beweglichen Feiertagen wie Ostern, die jedes Jahr auf unterschiedliche Wochentage fallen können.
Historischer Ursprung und Entwicklung
Die Geschichte des Buß- und Bettags reicht viel weiter zurück als das Christentum und hat faszinierende Wurzeln in der antiken römischen Zivilisation. Um die Entwicklung dieses bedeutenden Feiertags vollständig zu verstehen, ist es wichtig, seine historische Entwicklung zu verfolgen.
Antike Wurzeln im Römischen Reich
Die Ursprünge von Bußtagen lassen sich bis in das antike Rom zurückverfolgen. In Notzeiten – sei es bei Kriegsgefahr, Hungersnöten oder anderen Katastrophen – erließ die römische Regierung und Obrigkeit Bußtage. Die Idee dahinter war einfach: durch Gebete und Fasten sollten die Götter gnädig gestimmt werden, um die Stadt und ihre Bewohner vor Unglück zu bewahren. Diese antiken Praktiken zeigen, dass das menschliche Bedürfnis nach spiritueller Reflexion in Krisenzeiten tief in der Geschichte verwurzelt ist.
Von der Reformation zur Vereinheitlichung
Mit der Christianisierung des Römischen Reiches übernahm die Kirche diese Traditionen und bewahrte sie. Der erste evangelische Buß- und Bettag fand 1532 in Straßburg statt. Er war eine Reaktion auf die bedrohliche Situation der Türkenkriege, die das Heilige Römische Reich zu jener Zeit gefährdeten. Die damalige Bevölkerung suchte Zuflucht im Gebet und der Buße.
Nach diesem ersten evangelischen Buß- und Bettag kam es im Laufe der 16. und 17. Jahrhundert zu einer regelrechten „Inflation“ von Bußtagen. Jedes Kirchengebiet und jedes deutsche Land verordnete zu eigenen Zeiten und aus eigenen Anlässen verschiedene Bußtage. Diese fehlende Einheitlichkeit führte zu einer unübersichtlichen Situation: 1878 existierten insgesamt 47 verschiedene Bußtage an 24 unterschiedlichen Terminen in den 28 deutschen Ländern.
Die Vereinheitlichung im 19. Jahrhundert
Der Wunsch nach Vereinheitlichung führte zur Eisenacher Konferenz um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Hier wurde erstmals vorgeschlagen, den Buß- und Bettag auf den Mittwoch vor dem letzten Sonntag des Kirchenjahres zu verlegen. Dieser Vorschlag hatte Erfolg, wurde aber erst 1934 – etwa 80 Jahre später – von allen deutschen Landeskirchen und Ländern verbindlich anerkannt. Erst ab diesem Zeitpunkt gab es also bundesweit einen einheitlichen Buß- und Bettag.
Neueste Geschichte: Abschaffung und Neuregelung
Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Buß- und Bettag auf einen Sonntag verschoben und verlor damit faktisch seine Bedeutung. Nach dem Krieg wurde er 1950 durch die Evangelische Kirche wieder auf seinen ursprünglichen Mittwochstermin zurück verlegt.
Nach Kriegsende hatte der Buß- und Bettag zunächst keinen offiziellen gesetzlichen Status. Das änderte sich 1981, als der Buß- und Bettag in der Bundesrepublik Deutschland wieder zum gesetzlichen Feiertag erklärt wurde.
Diese Regelung hielt allerdings nicht lange an. Im Jahr 1995 wurde der Buß- und Bettag als gesetzlicher Feiertag abgeschafft – mit einer großen Ausnahme: Sachsen. Diese Abschaffung war ein politischer Kompromiss zur Finanzierung der neu eingeführten Pflegeversicherung. Die Mehrbelastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die Beiträge zur Pflegeversicherung sollte durch Mehrarbeit der Arbeitnehmer ausgeglichen werden.
Die aktuelle Bedeutung des Buß- und Bettags
Als gesetzlicher Feiertag heute
Der Buß- und Bettag ist heute nur noch in Sachsen ein gesetzlicher Feiertag mit Arbeitsruhe. In allen anderen Bundesländern der Bundesrepublik ist er kein arbeitsfreier Feiertag mehr. Allerdings wird er in vielen evangelischen Gemeinden bundesweit als wichtiger Gedenk- und Gebetstag begangen und zelebriert. In einigen Bundesländern wie Bayern und Berlin haben evangelische Schüler an diesem Tag schulfrei, um an Gottesdiensten teilnehmen zu können.
Spirituelle und religiöse Bedeutung
Der Buß- und Bettag ist für evangelische Christen ein Tag der Besinnung, Neuorientierung und inneren Einkehr. Während die Gottesdienste früher oft mittags stattfanden, werden sie heute häufig in den Abendstunden gefeiert. Dies ermöglicht es auch berufstätigen Menschen, an den Feierlichkeiten teilzunehmen.
An diesem Tag stehen folgende Elemente besonders im Vordergrund:
Persönliche Reflexion: Christen werden eingeladen, ihr eigenes Leben zu überdenken, ihre Entscheidungen zu hinterfragen und die innere Bereitschaft zur Veränderung und Umkehr zu erneuern.
Gemeinsame Beichte: Die Gemeinschaftsbeichte nimmt einen bedeutsamen Raum ein. Sie betont weniger die individuelle Schuld des Einzelnen, sondern vielmehr die Kollektivschuld und gemeinsame Verantwortung der Gemeinschaft.
Politische und gesellschaftliche Verantwortung: Die evangelische Kirche nutzt die Predigten am Buß- und Bettag zunehmend, um auf soziale Missstände und gesellschaftspolitische Themen hinzuweisen. Dazu zählen Themen wie Obdachlosigkeit, HIV/Aids, Kinderprostitution, die Situation von Flüchtlingen, Armut, Ungerechtigkeit und andere aktuelle Herausforderungen.
Neuanfang und Hoffnung: Entgegen weit verbreiteter Vorstellungen geht es beim Buß- und Bettag nicht darum, in „Sack und Asche zu gehen“ oder sich schuldig zu fühlen. Stattdessen soll dieser Tag Mut für Veränderung, Erneuerung und Verbesserung machen.
Teilnahme über Konfessionsgrenzen hinweg
Während der Buß- und Bettag primär ein evangelischer Feiertag ist, wird in den letzten Jahren eine vermehrte Teilnahme von katholischen Gemeindemitgliedern beobachtet. Dies zeigt, dass die Botschaft von Besinnung, Umkehr und innerem Frieden über konfessionelle Grenzen hinweg anspricht.
Der Unterschied zwischen Buße und Bußtag
Ein häufiges Missverständnis besteht darin, dass Menschen den Buß- und Bettag mit Bestrafung oder dem klassischen Konzept von „Buße als Strafe“ verwechseln. Dies ist ein fundamentales Missverständnis. Nach evangelischer Auffassung meint Buße nicht, sich zu strafen oder in Sack und Asche zu gehen.
Vielmehr bedeutet Buße im christlichen Kontext:
Umkehr: Eine innere Wendung, ein Umdenken
Sinnesänderung: Eine bewusste Änderung der Haltung und Lebensweise
Versöhnung: Die Wiederherstellung der Beziehung zu Gott und zu anderen Menschen
Neuanfang: Der Wille, es in Zukunft besser zu machen
Dieser Tag soll daher nicht mahnend die eigenen Fehler aufweisen oder Schuldgefühle verstärken, sondern eher Mut machen für Veränderung, innere Erneuerung und Hoffnung auf einen Neubeginn.
Biblische und religiöse Traditionen
Die Tradition von Buß- und Bettagen ist auch im Judentum tiefgreifend verwurzelt. Der Jom Kippur (Versöhnungstag) am 10. Tischri ist einer der wichtigsten und heiligsten Tage des jüdischen Jahres. An diesem Tag werden der Tempel, die Priester und das Volk entsühnt. Es ist der feierlichste Gottesdienst des Jahres, und nur an diesem Tag darf der Hohepriester das Allerheiligste des Tempels betreten.
Die biblische und rabinische Tradition unterstreicht, dass echte Umkehr nicht nur äußerliche Rituale einschließt, sondern vor allem eine innere Wandlung des Menschen erfordert. Sie setzt voraus, dass der Mensch sich von seinen Mitbürgern versöhnt, bevor er auf Gottes Vergebung hoffen kann.
Ein Tag für Besinnung und Hoffnung
Der Buß- und Bettag ist weit mehr als ein veralteter Feiertag aus früheren Zeiten. Er bleibt bis heute ein wichtiger Tag der Besinnung, Reflexion und spirituellen Erneuerung für Millionen von Menschen im deutschsprachigen Raum.
Auch wenn dieser Feiertag in den meisten Bundesländern nicht mehr arbeitsrechtlich arbeitsfrei ist, zeigt die anhaltende Beteiligung an Gottesdiensten und die Beachtung durch evangelische Kirchen überall in Deutschland, dass die Botschaft dieses Tages zeitlos bleibt: In einer oft hektischen Welt einen Moment inne zu halten, das eigene Leben zu überdenken, sich zu versöhnen und den Mut für einen Neubeginn zu finden.
Ob Sie der evangelischen Kirche angehören oder nicht – der Buß- und Bettag erinnert uns alle daran, dass Besinnung, innere Erneuerung und die Bereitschaft zur Veränderung zeitlose menschliche Bedürfnisse sind, die in jeder Gesellschaft ihren Platz haben sollten.



