Martinstag: Die traditionsreiche Feier der Nächstenliebe und des Lichts am 11. November

Der Martinstag, auch Sankt-Martins-Tag oder Martinsfest genannt (in Bayern und Österreich häufig Martini), ist ein bedeutender Fest- und Gedenktag im christlichen Kirchenjahr, der jährlich am 11. November gefeiert wird. Dieser traditionsreiche Tag erinnert an den heiligen Martin von Tours, einen der bekanntesten und beliebtesten Heiligen der katholischen Kirche, und ist in Mitteleuropa von zahlreichen Bräuchen und Traditionen geprägt.

Martinstag: Die traditionsreiche Feier der Nächstenliebe und des Lichts am 11. November
Martinstag: Die traditionsreiche Feier der Nächstenliebe und des Lichts am 11. November
Martinstag: Die traditionsreiche Feier der Nächstenliebe und des Lichts am 11. November

Historischer Ursprung und Bedeutung

Das Datum des Martinstages leitet sich von der Grablegung des Bischofs Martin von Tours am 11. November 397 ab. Während die meisten Heiligen an ihrem Todestag geehrt werden, macht Martin von Tours eine Ausnahme: Er starb am 8. November 397, sein Gedenktag wurde jedoch auf den 11. November gelegt, da dies bereits seit Jahrhunderten ein bedeutender Tag für die bäuerliche Bevölkerung war.

Der Martinstag markierte traditionell das Ende des bäuerlichen Wirtschaftsjahres. Die Ernte war eingebracht, der Wein gekeltert, und die Knechte und Mägde erhielten ihren Lohn. An diesem Tag begannen und endeten Dienstverhältnisse, und Pacht-, Zins- sowie Besoldungsfristen wurden fällig. Die Steuern wurden häufig in Naturalien bezahlt, auch in Gänsen, weshalb der Martinstag auch als Zinstag bezeichnet wurde. Bis heute beziehen sich Landpachtverträge oft auf Martini als Anfangs- und Endtermin.

Eine weitere wichtige Bedeutung hatte der Martinstag als Beginn der 40-tägigen Fastenzeit vor Weihnachten, die vom Mittelalter bis in die Neuzeit hinein – in den orthodoxen Kirchen teilweise bis heute – begangen wurde. Am letzten Tag vor Beginn dieser Fastenzeit konnten die Menschen noch einmal schlemmen, ähnlich wie bei der Fastnacht.

Die Legende des heiligen Martin von Tours

Martin von Tours wurde um das Jahr 316 im heutigen Ungarn (damals Savaria) als Sohn eines römischen Offiziers geboren. Bereits mit 15 Jahren musste er gegen seinen Willen zum Militär und wurde als Leibwache bei Kaiser Konstantin eingestellt.

Die berühmteste Legende über sein Leben ereignete sich im Jahr 334 oder 338 in Amiens (im heutigen Frankreich): An einem eiskalten Wintertag ritt der 17-jährige Martin auf seinem Pferd zum Stadttor hinaus, als er auf einen frierenden, unbekleideten Bettler traf. Martin hatte außer seinen Waffen und seinem Mantel nichts bei sich. Kurzerhand nahm er sein Schwert und teilte den Mantel in zwei Hälften – eine Hälfte gab er dem Bettler, die andere legte er sich um die Schultern.

In der folgenden Nacht erschien Martin im Traum Jesus Christus, bekleidet mit dem halben Mantel, den er dem Bettler gegeben hatte. Diese Vision veränderte Martins Leben grundlegend: Er ließ sich taufen, verließ das Militär und wurde zunächst Schüler des Bischofs Hilarius von Poitiers. Später lebte er als Einsiedler und Mönch und gründete ein Kloster.

Gegen seinen Willen wurde Martin schließlich zum Bischof von Tours berufen. Einer weiteren Legende zufolge versteckte er sich in einem Gänsestall, um dem hohen Amt zu entgehen, da er sich als unwürdig erachtete. Die aufgeschreckten Gänse verrieten ihn jedoch durch ihr lautes Geschnatter. Als Bischof führte Martin ein bescheidenes und asketisches Leben in einer Holzhütte vor der Stadt, wo später das Kloster Marmoutier entstand.

Martin gilt als Symbol für Hilfsbereitschaft, Nächstenliebe und Bescheidenheit. Er missionierte, heilte Kranke und wurde für seine außergewöhnlichen Taten verehrt. Nach seinem Tod am 8. November 397 und seiner Grablegung am 11. November wurde er zum Schutzpatron der Bettler, Soldaten, Reiter, Winzer, Weber und Schneider.

Traditionen und Bräuche zum Martinstag

Der Martinstag hat sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem Fest des Lichts und der Gemeinschaft entwickelt, das besonders bei Kindern und Families beliebt ist. Die verschiedenen Bräuche verbinden religiöse, kulturelle und agrarische Traditionen.

Laternenumzüge und Martinszüge

Der Laternenumzug ist der bekannteste und beliebteste Brauch zum Martinstag. In den Wochen vor dem 11. November basteln Kinder in Kindergärten und Schulen bunte Laternen, die sie dann stolz bei Einbruch der Dunkelheit durch die Straßen tragen. Begleitet werden die Umzüge von traditionellen Martinsliedern wie „Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne“, „Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind“, „Ich geh mit meiner Laterne“ oder „Martin ist ein guter Mann, zündet ihm die Lichter an“.

Oft führt ein Reiter in historischem Bischofsgewand auf einem Pferd den Umzug an und stellt den heiligen Martin dar. Die Laternen symbolisieren das Licht und die Hoffnung, die Sankt Martin durch seine Taten der Nächstenliebe in die Welt gebracht hat. Diese Tradition könnte auch auf die Überführung von Martins Leichnam nach Tours zurückgehen, die der Überlieferung nach von einem Lichterzug begleitet wurde.

Am Ende vieler Umzüge wird das Martinsspiel aufgeführt, bei dem die Geschichte von Martin und dem Bettler nachgespielt wird. Dies erinnert die Menschen an die Botschaft des heiligen Martin: „Vergesst die Notleidenden nicht“.

Martinsfeuer

In vielen Regionen wird am Ende des Laternenumzugs ein großes Martinsfeuer entzündet. Das Feuer steht als Symbol für das Licht und die Wärme, die Martin verbreitet hat. Möglicherweise erinnert das Martinsfeuer auch an alte Feuer auf abgeernteten Feldern, die als Abschluss des Erntejahres angezündet wurden. Die Tradition wurzelt somit auch in alten, spätherbstlichen Feuer- und Lichtbräuchen.

Martinssingen

Vor allem in katholischen Regionen ist das Martinssingen ein beliebter Brauch. Kinder ziehen singend von Haus zu Haus und tragen den Bewohnern Martinslieder vor. Als Dank erhalten sie Süßigkeiten, Äpfel, Nüsse oder andere kleine Geschenke. Diese Tradition erinnert an das christliche Prinzip des Teilens und Gebens und könnte mit dem bäuerlichen Jahresabschluss zusammenhängen.

Martinsgans – Das traditionelle Festessen

Das Martinsgansessen ist heute der wohl verbreitetste kulinarische Brauch zum Martinstag. Eine knusprig gebratene Gans, häufig serviert mit Rotkohl und Semmel- oder Kartoffelklößen, ist in vielen Familien und Restaurants ein fester Bestandteil der Feierlichkeiten.

Es gibt mehrere Erklärungen für diese Tradition: Eine historische Deutung geht davon aus, dass die Martinsgans ihren Ursprung in der Lehnspflicht hat. Die am Martinstag fällige Abgabe namens „Martinsschoß“ bestand häufig aus einer Gans, weshalb sich die Bezeichnung Martinsgans herausbildete. Da der Martinstag traditionell mit einer Kirmes oder einem Tanzmusikabend gefeiert wurde, bot es sich an, die Gans festlich zu verspeisen.

Eine weitere Erklärung bezieht sich auf die legendären Gänse, die Martin in seinem Versteck verrieten. Eine andere Erzählung besagt, dass schnatternde Gänse Bischof Martin bei seiner Predigt unterbrochen hätten und daraufhin geschlachtet wurden.

Die wahrscheinlichste Erklärung verbindet den Brauch jedoch mit dem Ende des bäuerlichen Wirtschaftsjahres und dem Beginn der 40-tägigen Fastenzeit vor Weihnachten. Am letzten Tag vor der Fastenzeit konnten die Menschen noch einmal schlemmen. Die Gans galt zudem als „Währung der armen Leute“ und wurde als Naturalabgabe gezahlt. Auch Knechte und Mägde erhielten zum Abschied der Saison oft eine Gans.

Die Zubereitung der Martinsgans variiert regional: Im Norden Deutschlands wird die Gans häufig mit einer Mischung aus Mett, Zwiebeln, Knoblauch und Kräutern gefüllt, während im Süden eine Füllung aus eingeweichten Semmeln, Esskastanien, gerösteten Nüssen, Äpfeln, Pflaumen, Zucker, Salz, Essig und Rotwein bevorzugt wird.

Weckmann, Stutenkerl und andere Hefegebäcke

Ein weiterer beliebter Brauch ist das Teilen von Weckmännern oder Stutenkerlen aus süßem Hefeteig. Diese Gebäckfiguren stellen ursprünglich einen Bischof dar und tragen Rosinen als Augen sowie eine Tonpfeife als Symbol für den Bischofsstab. Die Pfeife kam vermutlich im 17. Jahrhundert während der Reformation auf, als weltliche Symbole die kirchlichen Zeichen ersetzten.

Die Bezeichnungen variieren regional stark: Im Rheinland heißt das Gebäck Weckmann, in Niedersachsen Stutenkerl, in Süddeutschland und Österreich Krampus, und weitere Namen wie Backsmann, Klausenmann, Dambedei oder Grättimaa sind ebenfalls verbreitet. Das Teilen des Weckmanns symbolisiert die christliche Botschaft des Teilens, die durch Martin von Tours vorgelebt wurde.

Der Martinstag in verschiedenen Regionen und Ländern

Während der Martinstag in Deutschland besonders intensiv gefeiert wird, gibt es auch in anderen europäischen Ländern Martinstraditionen:

In Österreich wird der Martinstag (Martini) ähnlich wie in Deutschland mit Laternenumzügen, Martinsspiel und Martinsgans (Martinigansl) gefeiert. Im Burgenland ist das Martiniloben typisch – ein alter Brauch der Weinbauern, bei dem die Qualität des jungen Weißweins geprüft und zu Weinverkostungen eingeladen wird.

In den Niederlanden findet der Martinsumzug (Sint Maarten) statt, und Kinder ziehen singend von Tür zu Tür, um Obst und Süßigkeiten zu erhalten. In einigen Provinzen werden Martinsfeuer entzündet.

In Dänemark wird der Martinstag (Mortensdag) bereits am 10. November mit einem Gänseessen gefeiert, wobei die Dänen die Gans mit Pflaumen und Äpfeln füllen und mit Rotkraut servieren.

In Großbritannien und Irland fällt der Saint Martin’s Day auf den gleichen Tag wie der Armistice Day bzw. Remembrance Day, an dem dem Ende des Ersten Weltkrieges und den Kriegsopfern gedacht wird.

Regionale Unterschiede gibt es auch innerhalb Deutschlands: Während in Westdeutschland der Martinstag traditionell intensiver gefeiert wird, war die Tradition in Ostdeutschland weniger verbreitet. Fast jeder dritte Westdeutsche hat in seiner Kindheit am Martinssingen teilgenommen, während dies nur jeder Zehnte in Ostdeutschland tat.

Die zeitlose Botschaft des Martinstags

Der Martinstag ist mehr als nur ein historisches Fest – er vermittelt bis heute die zeitlose Botschaft der Nächstenliebe, des Teilens und der Solidarität. Die Geschichte von Martin, der seinen Mantel mit einem frierenden Bettler teilte, dient als Vorbild dafür, seinen Nächsten zu lieben und notleidenden Menschen zu helfen.

In einer Zeit, in der die Tage kürzer und dunkler werden, symbolisieren die Laternenumzüge das Licht der Hoffnung und des Glaubens, das in die Welt getragen wird. Der Martinstag vereint religiöse, kulturelle und gemeinschaftliche Werte und bietet Familien und Gemeinschaften die Möglichkeit, zusammenzukommen und gemeinsam zu feiern.

Die Bräuche und Traditionen rund um den Martinstag haben sich über Jahrhunderte entwickelt und werden bis heute lebendig gehalten – sei es durch die leuchtenden Laternen der Kinder, das festliche Martinsgansessen oder das gemeinsame Singen der Martinslieder. Der 11. November bleibt damit ein Fest, das Generationen verbindet und die Werte der Menschlichkeit und des Mitgefühls hochhält.